Karte - Hopfenbau in der Altmark-mit Ecke

Hopfenbau in der Altmark

Karte LegendeSogar bei an Bier interessierten Altmärkern ist oft völlig unbekannt, dass die Altmark einst ein großes, bekanntes Hopfenanbaugebiet war. Allerdings ist dies auch lange her, der Anbau spätestens seit Ende des 18. Jh.’s stark schwankend und im frühen 20. Jh. dann vollständig zum Erliegen gekommen. Wie es zum einstigen Aufstieg kam und warum der Anbau dann wieder vollständig aus der Region verschwand, soll nachfolgend beleuchtet werden.

Dabei liegt der Fokus weniger auf der Lobpreisung (über die Qualität des Altmärker Hopfens existieren auch durchaus widersprüchliche Aussagen), sondern darauf, anhand seiner recht gut dokumentierten Geschichte ein (möglicherweise exemplarisches) Beispiel der historischen Entwicklung eines Hopfenbau-Gebietes aufzuzeigen. Deckblatt Mertens

Aus unserer Sicht interessant ist sie nicht nur wegen der ja ohnehin vorhandenen räumlichen Nähe, sondern auch, da wir je nach Betrachtungsweise mehr oder weniger den unteren Rand der Altmark, in jedem Fall aber den südlichen Rand oder „Zipfel“ der einstigen Hopfenbauregion markieren: Mehrere der im nebenstehenden WerkDr. August Mertens – "Der Hopfenbau in der Altmark – Ein Beitrag zur Landeskunde und Wirtschaftsgeschichte" in: Wissenschaftliche Beilage zum 9. Jahresberichte der städtischen Realschule zu Magdeburg, 1899
Es ist ein ziemliches Glück, dass dieses ausführliche Werk damals zusammengetragen wurde und heute in digitalisierter Form im Internet auffindbar war. Mein Text ist mehr oder weniger eine Zusammenfassung der Arbeit von Mertens und enthält nur an einigen wenigen Stellen eigene Gedanken. Das Meiste wurde nicht hinterfragt oder darauf untersucht, ob es neusten wissenschaftlichen Kenntnissen entspricht, allerdings ist auch nicht zu erwarten, dass es da zwischenzeitlich umbrechende Neubewertungen gab…
benannten Hopfendörfer befinden sich in unmittelbarer Nachbarschaft!

 Karte Rand sued entfärbt

Regionaler Hopfenbau

Klarmachen muss man sich, dass die Herstellung nahezu aller Güter im Mittelalter (eingeschränkt bis zur Industriellen Revolution) eher eine sehr lokale Angelegenheit war! Der Transport – vor allem der über Land – war umständlich, langwierig, oft gefährlich und somit teuer; sofern nicht zwingende Gründe dagegen sprachen, griff man auf Quellen der näheren Umgebung zurück.
Das galt natürlich auch beim Bier: Wer brauen wollte, tat dies mit lokal vorhandenen Rohstoffen und als sich Hopfen als Zutat etablierte, nahm man wohl solchen, der möglichst in der Nähe wuchs! Sorten im heutigen Sinn gab es sowieso nicht, ggf. wurde später zwischen guten und weniger guten Herkünften unterschieden. Bier wurde überall gebraut – und wo benutzt und vorhanden – folglich auch der benötigte Hopfen gesammeltSpecial-Atlas des Knigreichs Westphalen Departement der Elbe Kanton Arendsee 1812Da Hopfen in unseren Breiten ja praktisch überall wächst, bestand anfangs kaum eine Notwendigkeit, diesen gesondert anzubauen: das was man brauchte, konnte man einfach in der Natur sammeln. Für die Dörfer rund um Arendsee ist solches Sammeln (wohl aus steuerlichen Unterlagen) für die Hausbrauerei noch für 1776 belegt. Bei größeren Brauereien bzw. einem steigenden Bedarf wird es sich allerdings irgendwann als praktischer erwiesen haben, den Hopfen dann gezielt zu kultivieren…, in Gegenden, die die passenden Voraussetzungen boten, wurde er irgendwann dann gezielt angebaut565px-Camerarius HopffenDer gezielte Anbau bietet insofern Vorteile, als dass der männliche – der früher für eine eigene Art (oder mindestens für eine unfruchtbare Abart) des Hopfens gehalten und als Nesselhopfen bezeichnet wurde – dabei außen vor gelassen wurde. Insofern man dadurch die Befruchtung verhindern oder zumindest verringern kann (Hopfenpollen werden vom Wind allerdings sehr weit verbreitet), würde dies auch die Qualität heben. Außerdem konnte auch eine gewisse Selektion (vermutlich nach Ertrag bzw. „Großdoldigkeit“) vorgenommen werden, in dem man sich die geeignetsten Fechser in den Garten holte….

Siegel Gardelegen - 1309 - schattiertIn den moorigen Niederungen der Altmark war Hopfen schon immer weit verbreitet. Wann genau mit dem gezielten Anbau begonnen wurde, lässt sich heute nicht mehr feststellen, es kann aber davon ausgegangen werden, dass dies schon recht früh geschah! Hopfen als Bierzusatz tritt überhaupt erst ab dem 11. Jh. so richtig in Erscheinung, aber schon ein SiegelSiegel Gardelegen - 1558 - schattiertZuvor waren auf dem Siegel 5 Teichgräser gezeigt, die Anfang des 14. Jh.’s aber gegen Hopfenstangen ausgetauscht wurden.
Nun drängt sich zugegebenermaßen eine Deutung als Hopfen (insbesondere hinsichtlich der zuvor gezeigten „Gräser“) vielleicht nicht unmittelbar auf, aber Vergleiche mit späteren Versionen des fortan benutzten Siegels (hier ein weiteres Bsp. von 1558, im Text das von 1309) sowie bildliche Darstellungen an anderer Stelle lassen diese Interpretation als gesichert erscheinen!
Gardelegens aus dem Jahre 1309 scheint sehr ähnlich dem heutigen Wappen Hopfenstangen zu zeigen; was damit schon für diesen frühen Zeitpunkt eine gewisse Bedeutung vermuten lässt.

Hopfenstangen DiesdorfDer Anbau erfolgte anfangs eher kleinteilig, in Mengen die für den eigenen BedarfOrbisPictus b 116Gebraut wurde ja kaum in Groß-Brauereien, sondern eher im Hause… Für einen solchen Bedarf ist der Anbau einiger Pflanzen im Garten durchaus ausreichend! Erst, als die Nachfrage nach Hopfen anstieg weil man entweder größere Mengen brauen (und absetzen) oder ihn aber verkaufen konnte, entstand überhaupt die Notwendigkeit eines tatsächlichen Anbaus ausreichend waren; mehr oder weniger im „Garten“, weswegen sich wohl der Begriff Hopfengarten etablierte (und erhalten hat) – auch, als die Anlagen dann deutlich der Gartengröße entwachsen waren.

Später, als der Hopfenanbau an Umfang deutlich zunahm, geschah dies vor allem im Umland größerer Ortschaften, womit die Hopfengärten dann sozusagen vor die Stadtmauern zogen. Zum einen, weil ja gerade dort in größerer Menge gebraut wurde und der Bedarf entsprechend hoch war, andererseits aber auch, da nur hier die dafür benötigten ArbeitskräfteNational Conveniences 1024Eine weitere Sache, die „nur hier“ in ausreichendem Maß zur Verfügung stand, war zusätzlicher Dünger! Der stark wachsende Hopfen ist eine sehr nährstoffhungrige Planze und profitiert sehr von zusätzlichen Düngergaben – in der Landwirtschaft war dieser aber grundsätzlich knapp! Dünger bedeutete früher ja vor allem Mist, beruhte letztlich also auf den Ausscheidungen der Haustiere und – da besteht „technisch“ keinerlei Unterschied! – der Menschen… überhaupt zur Verfügung standen.
Hopfenpflückerinnen - Bilder aus der AltmarkBeim Hopfen ist ja der Arbeitsaufwand sehr saisonal: vor allem für den relativ kurzen Zeitraum der Ernte – insbesondere beim Zupfen! – wurden sehr, sehr viele helfende Hände benötigt. Bauernhöfe haben zur Erntezeit wohl eher genug zu tun und hätten diesen zusätzlichen Arbeitsaufwand aus eigener Kraft nur schlecht bewältigen können. In Städten hingegen gab es genug Tagelöhner und es war dort wohl sicher auch entsprechend leichter, die Erntewochen irgendwie „einzutakten“.

(Tatsächlich entwickelten sich später die großen Anbauzentren oft in der Nähe städtischer Regionen! So konnte die Hallertau auf Saisonarbeitskräfte aus dem nicht weit entfernten München zurückgreifen, Spalt profitierte vom nahen Nürnberg… Denn auch wenn der Anbau selbst mit der Zeit modernisiert wurde – bis weit in das 20. Jh. blieb das Zupfen reine Handarbeit!)


640px-Hopfenzupfer 1930 

Gardelegen · Garlä · Garley

Der Hopfen der Altmark firmierte früher unter dem Namen der Stadt, wo er wohl (s)einen Ausgangspunkt wie auch ein wichtiges Handelszentrum hatte: Gardelegen (auch Gardeleben oder Garläben). In älterer Brauliteratur wird „Gardeleber Hopfen“ jedenfalls ab und an als eine der besseren Herkünfte benannt und zum Kaufe empfohlen!

Gerühmt wurde einst das hiesige Bier: die Garley.
Dieses wurde vormals in großen Mengen gebraut und mindestens bis in die (nach damaligen Maßstäben wohl gar nicht so nahe) Universitätsstadt Helmstedt geliefert – und auch andere Biere der Altmark standen in einem guten Ruf! Die Frage, ob der Erfolg dieser Biere auf den lokalen Hopfen zurückzuführen oder der Zusammenhang genau andersherum war, wird sich wohl nicht mehr zweifelsfrei entscheiden lassen (wobei allzu viel Hopfen aber offenbar gar nicht im Spiel war):

Siegel-GarleyEin zu Gardeleben in der Altmark gebrautes und ehemals ſehr berühmtes Bier. Vor dem 30jährigen Kriege ſollen täglich einige Hundert damit beladene Wagen nach fremden Orten gegangen ſein. Prof. Meibom zu Helmſtädt beſang es in einem eigenen Gedicht als einen Göttertrank und ſtellte es dem Wein an die Seite. Jezt iſt es in Vergeſſenheit, wahrſcheinlich weil es nicht mehr ſo gut gebraut wird. Man machte es ſonſt aus zweizeiliger Gerſte mit ſehr wenig Hopfen, daher es ſüßlich, braungelb und wolſchmekend war. Man hatte doppelten und einfachen.

Gardelegen - Salzwedeler TorGarley selbst war bis vor gar nicht allzu langer Zeit übrigens die älteste durchgängig verwendete Bier-Marke der Welt!
Im Jahre 1314 wurde Gardelegen das Braurecht verliehen. Zwar gab es um 1400 erst fünf Brauhäuser, „deren Bier noch unbekannt und schlecht“ war, jedoch nahm das Brauwesen bald einen gewaltigen Aufschwung, „weil Gott diesen Ort mit der Gabe gut Bier zu brauen ansah“ und bald schon „hier selbst mehr braustellen als irgend an einem andern ort in der Mark gefunden werden“, so „daſs alle Tage dessen etliche hundert Wagen hin und wieder in die benachbarten Örter geführt wurden, und die Stadt davon nicht geringen Nutzen hatte“.
Gardelegen - NikolaikircheEiner Legende nach reiste Zar Peter der Große 1698 durch die Stadt und lobte das Garley als „das beste Getränk auf Erden“ und Carl von Linné schrieb in einem Traktat über „Der Deutschen ihr Garley“.

Der Name selbst stammt wohl vom alten, plattdeutschen Namen der Stadt „Garlä“ und wurde mindestens seit 1500 durchgängig als Markenname für Bier aus der Stadt bentutzt und hat selbst die DDR überlebt. Nach der Wende ereilte die verbliebene Brauerei das gängige Schicksal: sie geriet in wirtschaftliche Schwierigkeiten, wurde hin und her verkauft, die Produktion eingestellt und der Markenname verschachert.

Das Bier selbst hat sich über die Zeiten natürlich stark gewandeltGarley logoEs ist davon auszugehen, dass Garley ein typisches Bier seiner Zeit und Region war – also wahrscheinlich eine Art Braunbier. Leider war im Internet (bzw. in der verfügbaren Literatur) bisher nichts näheres darüber in Erfahrung zu bringen. Wäre es allerdings ein eigenständiger Typ gewesen, hätten sich wahrscheinlich eher Aufzeichnungen darüber erhalten, worin dessen Besonderheit lag. So liest man nur immer wieder, dass es sehr gut war…
Egal, welche Biere man bis dahin gebraut (und ob man ggf. schon in früheren Zeiten das Rezept gewechselt) hatte – irgendwann zwischen dem 19. und 20. Jh. wird man auch dort auf eine moderne untergärige Brauweise umgestellt haben (wie im benachbarten Kalbe z.B. 1905)…
; über die Original-Rezeptur und Brauweise existiert nach derzeitigem Kenntnisstand leider keinerlei Wissen.

Ansicht Gardelegen - Danneil-Museum Salzwedel

 

Die Hopfendämme der Altmark

Wenn viel gebraut wird, wird viel Hopfen benötigt, was erklärt, warum sich eine umfangreiche Hopfenproduktion etablieren konnte. Aufgrund des steigenden Bedarfs pflanzten nach den Brauern auch immer mehr Bürger Hopfen in bedeutendem Umfang an, da sie ihn stets zu guten Preisen an diese verkaufen konnten.Hopfendämme in Kalbe - Krüger „Wie ein dichter Wald zogen sich die Pflanzungen rings um die Stadt. Hopfendarren wurden drauſsen in den Gärten in kleinen, sogenannten Hopfenhäusern, teilweise aber auch innerhalb der Ringmauern in Verbindung mit den Brauereien angelegt, letzteres zum gröſsten Nachteile der Bürgerschaft; denn die gewaltigen Brände, die Gardelegen leider so häufig heimgesucht haben ... sind fast immer in den DarrenHopfen trocknenWobei hier nicht ganz sicher ist, dass (ausschließlich) Hopfen-Darren gemeint sind. Hopfen trocknet – vor allem in jeweils kleineren Mengen, wie es ja wohl mindestens anfangs, bei der sehr verteilten Anbauweise anzunehmen ist – auch an der Luft (bzw. auf Trockenböden, jedenfalls ohne künstliche Wärmezufuhr). Evtl. sind hier auch Malzdarren gemeint – die ja auch andernorts oft Auslöser von Bränden waren?… (wobei sich andererseits in einer Malzdarre natürlich auch Hopfen trocknen läßt!) entstanden.“

Karte - Gardelegen Vinzelberg KakerbeckDer gute Ertrag der Hopfengärten bei den Städten veranlasste dann auch mehr und mehr Ortschaften der Umgegend dem Hopfen ihre Aufmerksamkeit zu schenken – in manchen wurde der Hopfenbau schließlich so umfangreich, dass er „nächst dem Ackerbau ein Gewerk ausmacht".
Dabei scheinen sich zwei Zentren herausgebildet zu haben, Karte - Drömlingwo auch in mageren Jahren der Anbau mehr oder weniger Bestand hatte: eines um Gardelegen und KalbeKalbe-BurgruineGenannt wird ein Dreieck zwischen Gardelegen, Vinzelberg und Kakerbeck, wobei Kalbe und Gardelegen „in der Menge des gezogenen Hopfens wetteiferten“. Evtl. waren die Bedingungen in der Milde-Niederung besonders günstig…
„Nur drei Dinge sind’s, die man in Calbe findet: Holz Hopfen und Heu.“
, ein weiteres am Rande des DrömlingsDrömling-PieplockenburgWobei hier nicht klar ist, ob ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, oder ob hier zwei eigentlich eigenständige Zentren nur in den jeweiligen Hochphasen des Hopfenbaus immer wieder „zusammenwuchsen“. Die Aufzählung der Hopfendörfer am Rande des Drömlings lässt jedenfalls immer wieder eine gewisse Eigenständigkeit erahnen und könnte in diesem Sinn auch ein separates Gebiet bezeichnen (oder aber andererseits einfach darauf zurückzuführen sein, dass diese Gebiete einst verschiedenen Landesherren unterstanden?…) . – zu den Hochphasen allerdings erstreckte sich das Gebiet wesentlich weiter.

Aufgrund der teils feuchten, moorigen Landschaft erfolgte der Anbau sehr oft auf Hopfendämmen:
„Soll ein neuer Garten eingerichtet werden, so muſs man zunächst, wenn es nötig ist, den Moorboden von dem überflüssigen Wasser befreien. Es werden daher Gräben in bestimmter Richtung gezogen, die das Wasser aufnehmen, die ausgehobene Erde wird obenauf geworfen. Dadurch entstehen Dämme, und deshalb bezeichnet man seit alten Zeiten in der Altmark die Hopfenanlagen als Hopfendämme; ja selbst dann, wenn, wie bei Gardelegen, die Dämme schon lange nicht mehr zur Hopfenzucht benutzt wurden, haben sie ihren Namen bewahrt.“

Auf den Parzellen wurde „der weitere Abstand der Längsreihen bevorzugt, da der Landwirt meistens zwischen dem Hopfen andere nutzbringende Pflanzen275px-Haricot de Soissons à rames Vilmorin-Andrieux 1904„Futterrüben, Runkeln, besonders aber niedrige, sog. Krup-Bohnen. … Am Rande der Dämme werden vielfach Stangenbohnen gezogen, die die geschätzten altmärkischen Schmalzbohnen liefern, von denen der Centner manchmal mit 40M bezahlt worden ist. Oft genug haben in Jahren mit niedrigen Hopfenpreisen diese Bohnen mehr eingebracht als der Hopfen selbst.“ baut [um in schlechten Jahren] wenigstens die Bodenpacht und andere Unkosten aus der Unterfrucht heraus“ zu schlagen. Womöglich gab es auch reine „Hopfenproduzenten“, überwiegend erfolgte aber wohl keine komplette Ausrichtung auf den Hopfen, was jeweils ein einigermaßen unkomplizierten Ein- und Wiederausstieg aus dem Anbau zuließ.

Brandenburg-Preußen1688Aufgrund der steigenden Erntemenge „hat vor und auch kurze Zeit nach dem dreiſsigjährigen Kriege Gardelegen einen ganz bedeutenden Ausfuhrhandel mit Hopfen getrieben, ja nächst der Garlei verdankt es diesem Hopfenhandel im besonderen einen groſsen Teil seines Reichtums und seiner Blüte zu jener Zeit“. Nicht nur die benachbarten Städte der Altmark, das Magdeburgische und die Mittelmark bis nach Berlin wurden mit Altmärkischem Hopfen versorgt, sondern auch Holstein, Dänemark und Schweden, später dann Preußen und Livland (und in guten Erntejahren wohl auch Thüringen und Franken).

Siegel Gardelegen - Darstellung neben Roland

Altmark im Königreich Preußen

Bis zum Dreißigjährigen Krieg scheint der Hopfenanbau eine ziemlich kontinuierliche Ausweitung erfahren zu haben. Auch nach dessen Einschnitten und Verwüstungen konnte er sich wieder erholen – die Tage des stetigen Wachstums waren allerdings gezählt.

Die Ausfuhr (mindestens in die skandinavischen Gebiete) erholte sich vorerst nicht mehr so recht und trotz (oder vielleicht auch wegen) intensiver Bemühungen durch den preußischen Staat traten zunehmend auch Probleme mit einem Überangebot auf und der Anbau verlor an Attraktivität – immer wieder hat man fortan aufgrund niedriger Preise etliche Hopfengärten eingehen lassen.

Friedrich der Große beim Austrocknen von SümpfenInsbesondere Friedrich der Große bemühte sich, die Wunden des Krieges endgültig zu schließen und die Wirtschaft (welche zu großen Teilen von der Landwirtschaft bestimmt wurde) zu modernisierenKartoffelbefehlSo wurden Transportwege (u.a. Kanäle) ausgebaut, an wüsten Stellen wieder Menschen angesiedelt, Sümpfe und Feuchtgebiete melioriert (etwa auch die Trockenlegung des Drömlings begonnen) und nicht zuletzt die Kartoffel eingeführt! und zu stärken; wobei der Ansatz verfolgt wurde, möglichst sämtliche Rohstoffe im Land selbst zu erzeugen und Preußen so vom Ausland unabhängig zu machen um das Geld im Land zu behalten und ggf. durch Exporte noch Einnahmen erzielen zu können. Dem Hopfenbau widmete er in diesem Sinn eine „liebevolle Aufmerksamkeit“.

Immer wieder ergingen Befehle, doch an allen sich eignenden Orten den Hopfenanbau wieder neu zu begründen oder entsprechend auszuweiten. Dies führte in HochphasenBismarkVon nun an ist eine sehr zyklische Bewegung dokumentiert. Waren die Bedingungen günstig, konnte die Erntemenge moderater Anbauflächen oft auch in sehr guten Erntejahren hohe Preise erzielen und beachtlicher Gewinn erwirtschaftet werden. Was die Zahl der Produzenten und die Gesamt-Anbaufläche dann deutlich anwachsen ließ – und folglich mit der nächsten guten Ernte den Markt überschwemmte. zu einer Verknappung und Verteuerung der benötigten HopfenstangenHopfenstangen setzen.JhAls Hopfenstangen fanden vor allem Kiefernstämme (der entsprechenden Größe) Verwendung. Es ist klar, dass diese knapper und vor allem teurer werden, umso mehr Anlagen neu angelegt werden. Immer wieder gab es daher Bestrebungen, diese Stangen preiswerter oder gar kostenlos abzugeben, um Neuanlagen zu fördern! – andererseits bei guten Ernten immer wieder zu einem Überangebot und folglich sinkenden Preisen, so dass die Investitionen dann oftmals kaum wieder hereingeholt werden konnten.

Immer schon wurde die Erntemenge natürlich durch die Witterung„Bald ist es Hagelschlag, der stellenweise die Dolden, womöglich die ganzen Pflanzen herunterschlägt (1772, 1782, 1816); bald lassen Kälterückfälle im Frühjahre die bereits in der Entfaltung begriffenen oder wohl gar schon in der Blüte stehenden Pflanzen erfrieren, so daſs der Ertrag fast gleich Null wird (1653, 1762, 1764, 1765, 1767, 1769, 1770, 1774, 1781, 1802, 1809); bald ist der Sommer zu heiſs und trocken, so daſs alles im Hopfendamme verdorrt (1589, 1759, 1762, 1765, 1775, 1780, 1782); bald ist er wieder zu naſs, so daſs die Zapfen an den Stangen faulen und nicht reif werden (1774, 1805, 1898); bald kommen mehrere dieser Umstände: Erfrieren im Frühjahr und Dürre oder zu grofse Nässe im Sommer in einem Jahre zusammen und verderben die ganze Ernte.“ beeinflußt, vermehrt treten auch Pflanzenschädlinge„In manchen Jahren, meist, nachdem der Hopfen schon durch das nicht zusagende Wetter geschwächt ist, entwickelt sich auf der Unterseite der Blätter in ungeheuren Massen die Hopfenblattlaus. Indem diese Tiere unaufhörlich die Säfte aussaugen und dadurch ein Zusammenschrumpfen und Absterben der grünen Teile veranlassen, scheiden sie auch reichlich Flüssigkeit wieder ab, besudeln dadurch die unter ihnen befindlichen Blätter und Stengel, welche infolgedessen wie mit einem Firnis überzogen erscheinen. Man bezeichnet diesen Überzug als Honigtau. Wenn gar die trockenen, weiſslichen Häute der Tiere darin kleben und wie Puder die Blätter bedecken, spricht man von Mehltau. Die klebrigen Massen auf den Blättern bieten die günstigste Gelegenheit für Pilzsporen, auf der Pflanze Fuſs zu fassen und weiter zu wuchern. Besonders ist es der Ruſstau, der den Hopfenpflanzungen riesigen Schaden zufügt. Eine kleine Milbe, die rote Spinne, saugt die Blätter aus und bewirkt dadurch den Kupferbrand.“ (gekürzt) auf den Plan (was bei „MonokulturenEB1911 - Horticulture - Fig. 22.Propagation by CuttingsWobei Monokultur hier kaum der passende Ausdruck ist: angebaut wurde ja vorwiegend auf kleineren, über die Landschaft verstreuten Parzellen (eher nicht auf hektargroßen Feldern).
Allerdings kommt es durch den Auswahlprozess (also das Abnehmen der Fechser von den jeweils besten – also einer eher kleinen Gruppe von – Pflanzen) zu einer genetischen Verarmung, was die Anpassung von Schadorganismen an den Wirt erleichtert. Gleichzeitig werden zudem beim „Teilen“ der Ausgangspflanze auch deren Krankheiten (insofern sie im oder am entsprechenden Material leben oder überdauern) gleich mit aufgeteilt
“ kaum verwundert…). Und nun wiederum wirkt sich nachteilig aus, dass Hopfen sich zu einem weit gehandelten Gut entwickelt hatte und Ernteausfälle nicht mehr einfach automatisch den Preis in die Höhe trieben, sondern fortan durch andere Herkünfte kompensiert werden konnten – was sicher ein Vorteil für die Brauer, nicht aber für die Erzeuger war.

Kratky Frantisek - Sklizen chmele ca 1898Zunehmende Bedeutung scheint auch die Frage der Qualität des Hopfens zu gewinnen. Wohl einfach infolge allgemeinerer Verfügbarkeit aufgrund Neuerungen in Handel und Transportwesen scheint der „in Böhmen wachsende Hopffen … weit préfériret und von besserer Stärke und Kraft gefunden“ zu werden, worauf 1751 die Anweisung ergeht, zu testen, ob nicht auch solcherSaaz 1850 ŽatecDies ist einigermaßen pikant, da die Ausfuhr von Hopfenfechsern aus Böhmen (seit ewigen Zeiten) streng verboten ist – was Regionen wie etwa Spalt nicht davon abhielt, genetisch sehr ähnliche Landsorten anzubauen. Der König räumt ein: „Wobey Euch jedennoch zur Nachricht dienet, wie dem Vernehmen nach in Böhmen die Ausfuhre der Hopffen Pflanzen verbothen seyn soll, daher Ihr dann Eure messures darnach nehmen und allen Fleiſs nehmen könnet, Meine Intention hierunter zu erreichen.“
Wie dieses Unterfangen ausging, ist im vorliegenden Text nicht mehr erläutert, da Akten im Geheimen Staatsarchiv seinerzeit nicht rechtzeitig ausgewertet werden konnten…
in der Altmark mit ähnlichen Ergebnissen kultiviert werden könne.

»Altmärker Moorhopfen«?

Die Frage, welche Art181px-Gart HumulusBekannt ist immerhin soviel, als dass es sich nicht um den „böhmischen Rohten“ gehandelt hatte, sondern dass gemäß der damaligen Klassifikation eher weiße oder weiß-grüne Varitäten der Hopfenpflanze angebaut wurden (wobei letzterem eine bessere Eignung für das rauere, norddeutsche Klima zugesprochen wurde – und sich dieser immerhin „beſonders durch die weißen und großen zwei Zoll langen Zapfen“ auszeichnete!…). Hopfen in der Altmark angebaut wurde, wird sich wohl nicht mehr vollständig klären lassen. Ob sich eine eigenständige Landsorte »Altmärker Hopfen« herausgebildet hatte, ist nicht bekannt (aber nicht unwahrscheinlich!) – noch weniger, ob sich vielleicht irgendwo Pflanzen davon erhaltenverwilderte HopfenpflanzeDas sich Pflanzen irgendwo „erhalten“ haben, ist vielleicht nicht gar so unwahrscheinlich: auf verwilderten Dämmen, an überwucherten Feldrändern, im Gebüsch hinter der Scheune… Schwierig wäre, eine solche Pflanze zwischen all ihren „wilden Verwandten“ sicher als Exemplar der ehemaligen Landsorte (so sie denn existiert hat) zu bestimmen – denn eine züchterische Bearbeitung von Merkmalen, an der man Kultur- von Wildsorten unterscheiden könnte, hat nicht stattgefunden. Im Prinzip müsste schon jemand nachvollziebar wissen, dass es sich um eine solche Pflanze handelt. haben… Drömling-MoorZwar trifft man ab und an auf den Namen Moorhopfen, allerdings nicht oft genug, um daraus einen Sortennamen postulieren zu können (zudem ist anzunehmen, dass hier eher auf die o.g. Anbaubedingungen abgezielt wurde).

In Kultur genommen wurde einst der Natur entnommener Wildhopfen – denn etwas anderes gab es schlicht nicht! Auf welche Weise dabei welche Hopfenpflanzen den Weg in die Hopfengärten fand, darüber läßt sich immerhin begründet spekulieren:
Einerseits fällt auf, dass die Hopfenernte damals (eher allgemein, nicht nur in der Altmark!) früher begann als heute; St. Bartholomäus, der 24. August, galt traditionell als Beginn der Erntesaison. Heute beginnt sie eher Anfang September; bei etlichen neuen Sorten sogar späterHop-picking in Flanders 18361743025Hinsichtlich der Wetter- / Klimaentwicklung würde man vielleicht eher gegenteiliges erwarten. Die Verschiebung oder Ausdehnung zu immer späteren Terminen läßt sich allerdings auch dadurch erklären, dass ein Hopfenbauer versucht, seine Sortenauswahl dahingehend zu staffeln, ein möglichst langes Erntefenster zu haben um die Arbeit zu verteilen; also möglichst frühe, mittlere und späte Sorten auswählen wird. Auch scheinen neue Züchtungen allg. eher zu späterer Reife zu tendieren…. Diese Selektion auf frühe Sorten liegt vielleicht darin begründet, dass man einst möglichst zeitig mit dem Sammeln in der Natur begann – einerseits, weil der letztjährige Hopfen aufgebraucht war, andererseits, weil bei wild wachsendem Hopfen das Erntefenster sehr klein ist (da bald nach Einsetzen der Reife viele der Blüten bereits befruchtet und zunehmend minderwertig sind). Daher wird man eher solche Pflanzen ausgesucht haben, die zum frühen Sammelzeitpunkt bereits prächtig ausgebildete Dolden hatten (nicht solche, die da noch klein und unreif waren).
Auch hinsichtlich der Witterung scheint ein potentiell früher185px-Arcimboldo Autumn 1572 privateInsgesamt wird der Druck (und Schaden) durch Schädlinge und vor allem Pflanzenkrankheiten von der Witterung, aber auch von der „Einwirkdauer“ auf die Pflanzen beeinflusst – grob gesagt: was lange hängt, wird irgendwann gammlig. Dazu kommt, dass zum Ende des Sommers das Wetter immer schlechter, die Tage immer kürzer werden, mehr Feuchtigkeit immer schlechter abtrocknet (was auch für das Trocknen des Ernteguts gilt!) und zudem schon die Gefahr erster Herbststürme besteht (siehe später bei 1777!). Andererseits stimmt aber auch, dass, was länger hängt, noch länger Sonne tanken und weiter wertvolle Inhaltsstoffe ausbilden kann (und späteres Erntematerial vielleicht „inhaltsreicher“ und aromatischer gerät– was evtl. begründet, warum neuere Züchtungen eher dorthin tendieren?!, ermöglicht heute natürlich auch durch wirkungsvollere Pflanzenschutzmaßnahmen). Letztlich wird man wohl einen Kompromiß anstreben, der nicht zuletzt durch das örtliche Klima diktiert wird… Erntezeitpunkt durchaus vorteilhaft.

Weiterhin ist davon auszugehen, dass der Hopfen anfänglich viel eher nach seiner Sammeleigenschaft denn nach seiner Braueignung selektiert wurde: Geht man in die Natur um Hopfen zu sammeln, dann wählt man wenn möglich Pflanzen mit einem ordentlichen Behang und großen Dolden – einfach weil dies den Sammel-Aufwand verringert.Hopfenzupfen | H. Krüger Kalbe (M), privat, www.kalbe-milde.de Und wer sich Pflanzen in den Garten holt, würde wohl mit hoher Wahrscheinlichkeit darauf achten, genau solche auszuwählen!
Da man mengenmäßig sowieso Dolden mehrerer Pflanzen benötigt und folglich die Ernte vermischen wird, sucht man kaum nach bestimmten „Aromaeigenschaften“ – in diesem Sinn ist dann Hopfen eben einfach nur Hopfen…

Eine Selektion nach Anbaueignung und Braueigenschaften wird dann vielleicht eher erfolgt sein, als man anfing, die Hopfengärten zu erweitern oder neue, größere Anlagen anzulegen. Eine gezielte „Züchtung“ ist eher auszuschließen, da man anfangs ja ohnehin nicht über die Vermehrungsmechanismen Bescheid wußte, dies andererseits bei mehrjährigen Pflanzen auch ein mühsamer, langwieriger Prozess242px-Punnett square PSFWie sich eine neu gezüchtete Pflanze (bzw. ein „Sämling“) über den gesamten Anbauzeitraum verhält, kann eben erst gesagt werden, wenn dieser verstrichen ist: Eine solche Pflanze kommt ja erst nach ggf. mehreren Jahren in den (vollen) Ertrag und kann dann sehr langlebig sein oder aber bereits früh vergreisen, immer wieder besonders stark von Schädlingen oder Krankheiten befallen werden oder aber auch ungünstiger Witterung erstaunlich gut standhalten… „Klont“ man dagegen eine etablierte Pflanze über einen Fechser, sind all die Fragen bereits beantwortet! wäre. Daher werden solche Pflanzen eher über Ableger oder Stecklinge der geeignetsten Pflanzen vermehrt – was beim Hopfen zudem recht einfach ist! Mit gezielter Züchtung hat man erst Ende des 19. Jh.’s begonnen.

Trotzdem kann sich auch bei solchen Prozessen in einem großen Anbaugebiet ein sehr einheitliches Pflanzmaterial – also eine Sorte – herausbilden, was ja Landsorten wie Spalter, Hallertauer oder Saazer eindrucksvoll beweisen, die bis heute stolz den Namen der einstigen Herkunft verkünden.

Schenkenhorst

Allmählicher Niedergang

Als Todesstoß für den Altmärker Anbau werden immer wieder teils langjährige Ausfuhrverbote angeführt, welche ab 1777 erlassen wurden, um etwa nach Missernten im Land die Versorgung mit preußischem, also inländischem Hopfen sicherzustellen. Dies führte zu einer (sicher beabsichtigten) Beruhigung der Preise aber auch dazu, dass ein lokales ÜberangebotLouis Derickx - Right before the stormErstes auslösendes Ereignis war ein gewaltiger Sturmwind am 31.8. & 1.9. 1777, der große Teile der Ernte in der rechtselbischen Kurmark vernichtet. Um Verknappung (und die befürchte Einfuhr ausländischen Hopfens!) zu vermeiden, wird am 5.9. ein umfassendes Ausfuhrverbot erlassen. Da aber aufgrund des frühen Beginns in der Altmark die Ernte zu diesem Zeitpunkt schon fast eingebracht (und zudem aufgrund der großen Anbaumenge auch reichlich alter Hopfen „vorrätig“ war), hätten hier eigentlich „goldene Zeiten“ anbrechen können. Stattdessen war die Ausfuhr fortan auf mehrere Jahre stark kontingentiert und musste (jeweils kostenpflichtig) beantragt werden… dann nicht mehr (evtl. äußerst!) gewinnbringend verkauft werden konnte – solche Glücksphasen machten den Anbau wohl aber gerade auf lange Sicht „lohnend“.

„Diese streng durchgeführten Verwaltungsmaſsnahmen, die fortwährenden Scherereien, die bei der Aufstellung der Berichte für die General-Tabellen und -Designationen nicht ausbleiben konnten, die beständige Aufsicht, der der Hopfenbauer inbezug auf seine Einnahmen aus diesem Erwerbszweige unterworfen war, die infolge des Ausfuhrverbotes zu Gunsten der Brauer immer gedrückten Preise, die die Kosten des Anbaus und der Ernte kaum deckten, dazu Missernten u.s.w. führten schlieſslich dazu, daſs viele in der Altmark den Hopfenbau aufgaben, mindestens stark einschränkten. … Als unter seinem Nachfolger Friedrich Wilhelm II. im Jahre 1788 die Einfuhr wie die Ausfuhr in der Mark frei gegeben wurden, auch die amtlichen Listen unterbleiben konnten, lagen beide bereits so darnieder, daſs sie nur wenig Vorteil von dieser wieder gegebenen Freiheit hatten.“

Rathaus GardelegenZur Wende zum 19. Jh. wurde um Gardelegen kein Hopfen mehr angebaut. Auch der hier ansässige Hopfenhandel war fast erloschen – teils fuhren Bauern oder in den Dörfern lebende Hopfenführer mit GespannenAbend in der WischeDer Handel wurde teils absichtlich erschwert:
„In der Altmark soll die Ausfuhr sowohl zu Lande wie auf der Elbe, jedoch mit der Einschränkung erlaubt bleiben, daſs aus den in die Elbe fallenden Strömen und Kanälen kein Hopfen zur Exportation in genannten Fluſs gelassen werden darf.“
das wenige, dass zur Ausfuhr freigegeben wurde über oft weite StreckenRegni Poloniae et Ducatus Lithuania 1679In die Kurmark, bis nach Berlin, nach Magdeburg, Quedlinburg, Braunschweig, Lübeck und Holstein – es wird von einem Hopfenführer berichtet, der sein Gespann über das gefrorene Frische Haff nach Königsberg fuhr…. Vermehrt kamen Handelsreisende auswärtiger Handelshäuser und kauften den Hopfen auf.

Einen kleines Aufbäumen scheint es im Zuge der Befreiungskriege (gegen Napoleon, ab 1813) gegeben zu haben, da die in der französischen Zeit eingeführte Gewerbefreiheit sowohl das Braureiwesen als auch die HausbrauereiHenniges HofIn diesem Zusammenhang ist interessant, dass hier ein schriftl. Beleg dafür existiert, dass sich in abgelegeneren Gebieten die Hausbrauerei auch in unseren Breiten bis mindestens zum Anfang des 20. Jh.’s erhalten hatte:
„Diese Selbstbrauerei hat seit jener Zeit in vielen Dörfern wohl manchen veranlasst, etwas Hopfen in seinem Garten zu ziehen, und heute (noch 1898) ist sie der Grund, daſs an einigen Orten noch Hopfen gebaut wird, wo man die Anzucht zum Verkauf bereits aufgegeben hat, wie z.B in Roxförde.“
förderte und wieder einige Hopfendämme errichtet wurden. Nochmals wurde versucht, die Qualität des Hopfens durch Umstellung auf edlere SortenLützschena Rittergut um 1860Aber auch hier fehlt leider die Dokumentation des Erfolgs…
Diesmal ging die Aktion vom Salzwedler „Altmärkischen Verein für Vaterländische Geschichte und Industrie“ aus. Aus Lützschena nahe Leipzig sollten 3000 Fechser eines bayrischen Hopfens, der sich dort bestens bewährt hatte, bezogen und ab 1839 von möglichst vielen Landwirten testweise angebaut werden. Die bestellten und bezahlten Fechser wurden geliefert – allerdings mußte festgestellt werden, „daß keine Nachricht eingegangen sei, ob sie angewachsen wären“...
zu heben, aber bis 1860 stagnierte der Anbau allenfalls, bis dann nochmal ein gewaltiger Aufschwung im Hopfenhandel einsetzte, „der die Altmark wohlhabend und Gardelegen wieder zum Mittelpunkt des Handels machte“:

Kloster-Neuendorf

Letztes Aufblühen

Fast überall in Europa war die Ernte missraten, in der Altmark (und in Posen) vorzüglich – die Preise stiegen „fabelhaft schnell“ und das alte Spiel ging in eine letzte, große RundeBlick auf Wiepke„Die riesige Preissteigerung veranlaſste natürlich in den Hopfendörfern eine fieberhafte Thätigkeit, um den Hopfenstand zu vergrössern, und als nun auch in den folgenden Jahren lohnende Preise gezahlt wurden, griff der Hopfenbau auch auf Ortschaften über, die ihn früher nicht gekannt hatten. Am Ende der achtziger Jahre finden wir Hopfen in der ganzen Altmark mit Ausnahme des Nordwestens hinter Salzwedel, der Wische sowie der Elbgebiete.
Leider hielten die teuren Jahre, die der Altmark Millionen zuführten, nicht an; es folgten wieder solche, in denen kaum die Kosten gedeckt wurden, und da Jahr für Jahr verging, ohne daſs ein Aufschlag erfolgte, hat man den Hopfen in den Grenzgebieten fast überall wieder herausgerissen.“
!

Nochmals etablieren konnte sich ein nun moderner Hopfen-Handel: In Gardelegen wurde eine erste DarreModerne HopfendarreOb dies tatsächlich „die Erste“ war, ist nicht ganz klar (weiter oben werden sie ja als häufige  Brandursache benannt) – aber sie wird in diesem Sinn eine moderne, große Anlage gewesen sein, die sich in die modernen, industriellen Prozesse einfügt…
Bei der einst vorherschenden Kleinproduktion wurde der Hopfen wohl weitestgehend „an der Luft“ (oft auf speziellen Trockenböden) getrocknet – künstliche Hitzezufuhr ist eigentlich erst dann nötig, wenn man der Menge ansonsten nicht mehr Herr wird; solch kontrollierte Verarbeitung resultiert dann aber wahrscheinlich auch in einheitlicherer Qualität.
gebaut und die Ausfuhr bis hin nach England und Amerika aufgenommen. „Als die Berlin-Lehrter Bahn im Jahre 1870 Gardelegen leichter zugänglich machte, verlegte [man] die Darre an den Bahnhof, von dem aus nunmehr fast ausschlieſslich die altmärkische Ernte in die Welt geht.“
Brauereifest - H. Krüger Kalbe (M), privat, www.kalbe-milde.deAuch der Anbau, der in den 30er Jahren nach Gardelegen zurückgekehrt war, erlangte nun nochmals etwas größere Bedeutung, ging aber ab 1885 wieder zurück. Um die Jahrhundertwende scheint hier lediglich noch eine Art größerer „Mustergarten“ bestanden zu haben.

Es scheint, dass der Hopfen aus der Altmark irgendwann nicht mehr wirklich konkurrenzfähig war. Oftmals liest man die Begründung, dies hätte an den Anbaubedingungen gelegen und dieser Moorhopfen hätte einfach nicht genug Bittere oder Aroma entwickelt, was aber nicht so richtig einleuchten will: Ein Gebiet, welches über Jahrhunderte Bestand hatte, kann nicht gänzlich ungeeignet und auch der einst gerühmte Hopfen kann kaum wirklich schlecht gewesen sein! Auch heute noch kommt es allerdings vor, dass Hopfensorten aus einem Gebiet verschwinden (müssenDescription of a New Knapsack Sprayer 1890 fig. 2Dies kann u.a. sein, weil eine Sorte tatsächlich nicht mehr modern ist und sich nicht mehr verkauft, war weitaus häufiger aber der Fall, da der Druck durch Pflanzenkrankheiten so groß wurde, dass zwangsläufig auf andere Sorten umgestellt werden mußte! Dies wurde möglich (und war offenbar „höchste Eisenbahn“!) als gezielte Züchtungen auf Resitenzen seit Ende des 19. Jh’s zur Verfügung standen und gute Erträge brachten. Dass dabei ab Mitte des letzten Jh.’s vornehmlich auch auf hohe Bitterwerte gezüchtet und umgestellt wurde, war eher ein Nebeneffekt. So manche Landsorte ist dabei leider unwiederbringlich verschwunden…) und gegen geeignetere ausgetauscht werden.
Hopfenanbau DDRDer unterstellten generellen Eignung widerspäche hingegen die Tatsache, dass auch in der DDR (wo der Hopfenanbau wieder stark ausgebaut bzw. neu etabliert wurde, da nach dem Weltkrieg alle noch verbliebenen Hopfenanbaugebiete im Ausland lagen und man aus wohl ganz ähnlichen Gründen wie einst in Preußen eine inländische Versorgung sicherstellen wollte) die Altmark nicht als Anbaugebiet reaktiviert wurde.

Vielleicht war es schlicht so, dass Sorten auf die man wechseln wollte, einfach nicht zum Anbaugebiet passten oder auch die moderneren Produktionsmethoden, auf die man im 20. Jh. hätte zwangsläufig umstellen müssen, nicht auf die evtl. besonderen Gegebenheiten vor Ort anwendbar waren. Vieles spricht dafür, dass der Anbau kaum jemals „konzentriert und großflächig“ erfolgte, sondern wohl in der Regel auf etliche kleinere Parzellen verteilt, weitflächig über die Dörfer verstreut war und viel eher im Nebenerwerb stattfand. Das Bild riesiger, zusammenhängender Anbauflächenn, welches man heute unwillkürlich mit Hopfenbau assoziiert, hat vielleicht in der Altmark so nie existiert.  Hopfenanbau an Gerüstanlagen um 1905Dies könnte erklären, warum sich der Anbau an Gerüstanlagen hier nicht etablieren konnte, obwohl man in anderen Gebieten längst umgestellt hatte.

 

Das Ende

Mit der Wende zum 20. Jh. verschwand der Hopfenbau allmählich aus der Altmark: Von 305 Hopfendörfern im Jahre 1885 waren um 1900 nur noch 125, 1912 nicht mehr als 45 übrig geblieben; nur in wenigen Dörfern hielt sich der Anbau bis in die 30er Jahre. Siegelmarke Gemeinde Wollenhagen W0343136Am längsten in Wollenhagen – bis 1934.

Der letzten Hopfenbauer der Altmark, Wilhelm Weber, hat noch 1937 Hopfen geerntet, fand aber keinen Abnehmer und verwendete die letzten Dolden »Altmärker Moorhopfens« als Einstreu im Stall.

Auch in der DDR wurde der Anbau nicht wieder aufgenommen.

Karte - Gegend um Gardelegen

 

----------------------------------------------------------