Sud 35
35 | ![]() |
Biertyp | helles Lagerbier |
Bierart | - untergärig - |
Stammwürze°P | 12,6° |
Alkohol%Vol | 5,1% |
Brautag | 19.1.19 |
Anstich | 2.3.19 |
Ursprung | München |
Malze | Pilsner (und ein wenig Karamellmalz) |
Hopfen | Hallertauer: Tradition & Mittelfrüh |
Geschmack | ausgewogen malzaromatisch mit dezenten Edelhopfennoten |
Trinktemp.°C | 8° |
Was für ein Bier ist das?...
Die Geschichte vom
Münchner Hell
ist recht gut dokumentiert – und sie beginnt mit einem anderen Bier:
Als das neuartige, strohgoldene
Pilsner Bier
aus dem benachbarten Böhmen sich anschickte, die europäischen Metropolen zu erobern, verkündeten die bayrischen Brauer stolz, diesen modernen Quatsch ganz bestimmt nicht mitmachen zu wollen – verloren dadurch dann aber offenbar Anteile ihrer Kundschaft (zumindest an der etwas weniger traditionsbewussten…). Letzlich kamen sie also nicht umhin, dem traditionsreichen bayr. Dunkel
ein helles Pendant beiseite zu stellen…Die Legende sagt, um daheim keinen Reinfall zu erleben, wurde das neue Bier ab 1894 erst einmal fern der heimatlichen Kundschaft getestetEine
andere Erklärung wäre, dass einfach das auswärtige Publikum weit weniger traditionsverhaftet war als das bayrische – und eine Brauerei, die auf fernen Märkten mitmischen wollte, einfach nicht drum herum kam, solch ein helles Bier im Angebot zu haben. Als sich dieses dann als unheimlich erfolgreich herausstellte, lag es wohl nahe, es auch am heimischen Markt zu testen...: nämlich in der Hafenstadt Hamburg. Erst als man sich sicher war, dass dieses Bier seine Freunde finden würde, führte man es dann im Juni 1895 auch in Bayern ein.
Vermutlich hätte man ohnehin das böhmische Vorbild nicht einfach nur nachbrauen wollen – konnte dies allerdings sowieso nicht, denn dafür wäre das Münchner WasserWie
wichtig das vor Ort vorhandene Brauwasser für die Herausbildung eines Bierstils sein kann, wurde bereits bei Sud 31 angesprochen. Zwangsläufig ergeben sich daraus dann aber gewisse Schwierigkeiten für Brauerein, die solch ein Bier brauen wollen, nicht jedoch über jenes typische Wasser verfügen. War es beim
Grätzer
ein besonders mineralsalzhaltiges Wasser, lässt sich der Erfolg des Pilsner Urquells
wohl zu großen Teilen auf das besonders weiche Wasser der Region (feldspatreicher Sandstein) zurückführen!
Im Alpenvorland hingegen musste man mit einem eher harten, kalkreichen Wasser brauen – geeigneter für Biere des bis dahin vorherrschenden dunklen Typs...
(Heutzutage wird allerdings das Brauwasser in den meisten Betrieben in großem Stil aufgearbeitet – so dass man eigentlich überall eine breite Palette Biere brauen könnte...) zu hart und somit denkbar ungeeignetBöse Zungen behaupten, das Wasser sei eigentlich auch für ein Bier des Typs
Münchner Hell
ungeeignet – und der eigentliche Erfolg dieses Bieres hätte sich erst nach dem II. WK eingestellt, als dann auch die Wasseraufbereitung zum Standardrepertoire der Brauereien gehörte...
Obwohl dies eine zwar mögliche Erklärung ist, ist sie vielleicht nicht die Plausibelste: Nicht außer acht lassen darf man ja, dass der traditionsverhaftete Teil der Kundschaft eben wohl doch noch lange am Althergebrachten festhielt!...! Also musste man das Rezept den Gegebenheiten anpassen und das Bier etwas malziger und weniger hopfigWeniger hopfig, da hartes Wasser die Hopfenbittere unangenehm kratzig hervortreten läßt. Malziger, da einem aus hellem Malz (dem die Geschmackskomplexität dunkler Malze fehlt) betont schlank gebrautem Bier (dem also auch Körper und Restsüsse fehlen) nicht viel an Geschmack bliebe, wenn man nun noch den Hopfen reduziert... einbrauen. Und selbstverstänlich griff man dabei auf bayrische Hopfen zurück!
Herausgekommen ist ein süffiges Bier, bei dem sich delikate Malzigkeit und feinen Hopfenaromen angenehm die Waage halten – und vielleicht lag es damit sogar näher am Vorbild, als man heute meintDenn das
Bier Pilsener Brauart
, wie wir es heute kennen, hat seit seiner Erfindung eine Entwicklung durchlaufen, die heute eher die Hopfenbittere in den Vordergrund stellt als dessen feine Aromen – bereits das erste deutsche Pils
(ab 1872 aus Radeberg), war deutlich aggressiver gehopft. Auch war das Original wahrscheinlich malzbetonter als heutzutage – was tschechische Biere im Allgemeinen auch heute noch sind... .
Das
Helle
war im süddeutschen Raum letztlich jedenfalls so erfolgreich, dass es zu dem Bier wurde, welches serviert wird, wenn man nicht explizit ein anderes bestellt – und kann unzweifelhaft als SynonymSelbst in der DDR war ein
Helles
praktisch das Bier, welches (zumindest in einfachen Gaststätten, Kneipen, Jugendclubs o.ä.) normalerweise zum Ausschank kam.
Obschon ebenfalls zurückhaltend gehopft, ist es sonst aber wohl nur bedingt vergleichbar. Ihm kam in etwa die Stellung zu, die das etwas leichtere 10-gradige Schankbier bis heute in Tschechien einnimmt; war also schwächer eingebraut, alkoholärmer (und preiswerter) als ein Pils. eines Biergarten-Bieres gelten!
Da unser eigenes Brauwasser dem Münchner wohl näher steht als dem Pilsner, konnten wir das Helle
so brauen, wie man es vielleicht damals trank (und haben für hohe Authentizität zusätzlich extra auf eine ältere, aromareiche Gerstensorte zurückgegriffen).
Nicht unwesentlich bei diesem Bierstil ist die Kellerarbeit:
Durch Anstellen und Vergären bei recht niedrigen Temperaturen wird der besonders saubere Charakter der untergärigen Brauweise unterstrichen – dabei kam uns das aktuelle Wetter sehr entgegen! Da für einen schnellen Gärbeginn dann aber extra viel Hefe notwendig ist, haben wir dafür – ebenfalls alten TraditionenGanz früher, als es in diesem Sinn noch keine Reinzuchthefe und keine brauerei-internen Labore gab, wurde einfach die Hefe vom letzten Sud erneut verwendet – die sich ja im gärenden Bier vermehrt und somit in ausreichender Menge anfällt (wobei das Prinzip selbst natürlich bis heute gültig ist!). Über die Zeit kann es aber durchaus passieren, dass die Hefe mutiert oder man sich irgendwie eine Infektion einfängt – dann ist das Wiederverwenden natürlich keine Option. In einem solchen Fall konnte man sich einfach bei einer benachbarten Brauerei mit neuer Hefe versorgen – was u.U. dazu führte, dass sich regionale Hefe-Stämme herausbildeten... folgend – aktive Anstellhefe aus der Colbitzer Brauerei geholt. Dafür Danke!
Diesmal brauten wir hauptsächlich unter uns...
350l Würze zu Beginn der Hopfenkochung:
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Weiterfürende Links:
- der Bayrische Brauerbund vertieft in seinem Portrait Aspekte der untergärige Brauweise und damit zusammenhängende technische Fragen
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- wurde die in der Überschrift verwendete Schriftart "ApolloASM" von Peter Wiegel entworfen und auf www.fontspace unter der SIL Open Font License (OFL) veröffentlicht
- stammt das Bild von der Frauenkirche vor dem Alpenpanorama von Reinhald Kirchner und wurde unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 generisch“ (US-amerikanisch) lizenziert
- die wunderschöne Ligatur aus H&B am Textende steht übrigens nicht für Hundisburg sondern für Münchner Hofbräuhaus
Danke!