Sud 53
53 | ![]() |
Biertyp | Lagerbier, Pils |
Bierart | unterg. |
Stammwürze°P | 12,8 |
Alkohol%Vol | 4,9 |
Brautag | 3.12.22 |
Anstich | |
Ursprung | (Nord-) Deutschland (urspr. Böhmen) |
Malze | Pilsner + Karamellmalz |
Hopfen | Perle, Polaris |
Geschmack | |
Trinktemp.°C | |
![]() |
Was für ein Bier ist das?…
Das Polaris
ist ein typisches (nord-) Deutsches Pils
. Namensgeber war die recht junge Hopfensorte Polaris, die dem Bier eine gewisse „Frische“ verleiht.
(Nord-) Deutsches Pils?
Mit Pils ist ein Bier nach Pilsener Brauart gemeint – also ein helles, relativ schlankes, untergäriges Lagerbier mit einer schönen Hopfennote.
Unverkennbar bestehen jedoch zwischen der böhmischen und deutschen Ausformung des Bierstils Unterschiede: während die böhmische VarianteGenau genommen ist das einzige „Böhmische Pilsner“ das
Pilsner Urquell
! Der Begriff Pilsner Brauart tritt nämlich bei tschechischen Lagerbieren äußerst selten auf (eigentlich sind mir selbst nur Bsp. bekannt, die im Ausland vertrieben werden) – wenn dieser Typ irgendwie gekennzeichnet ist, dann als helles Lager
(svetlý ležák). Das Böhmische Lager
ist im Allgemeinen wohl auch nicht ganz so hell und strohgelb – wenn, sind dies sogar eher Ausnahmen (wie beim Namenspatron)…
Auch international wird der Stil eher Lager
genannt – der orientiert sich aber (wenn überhaupt) dann eher an der deutschen Variante; oft steht wahrscheinlich aber das „Schlanke“ im Vordergrund… eher das Hopfenaroma (des prädestinierten Saazer Aroma-Hopfens) herausarbeitet und durchaus einen leichten Malzkörper aufweist, kommen deutsche Pilsner meist wesentlich schlanker daher und stellen die Hopfen-Bittere in den Vordergrund.Auch innerhalb der Länder gibt es natürlich durchaus noch regionale Unterschiede. So erfährt in Deutschlands Norden das Schlanke, Herbe noch einmal eine besonders deutliche Ausprägung – und hoch oben an der Küste mag man’s dann angeblich ganz besonders herb
Das behauptet jedenfalls die Werbung… Mit 38 Bittereinheiten ist nebenstehendes Bsp. wohl eines der bittersten (Standard-) Biere auf dem deutschen Markt.
Vor allem ist das Flensburger
aber auch ein prima Bsp. für den weiter unten besprochenen angbl. Bedeutungsunterschied zwischen Pils, Pilsner und Pilsener – beim Flensburger wurde im Laufe der Jahre jedenfalls wild hin und her gewechselt……
Pils, Pilsner oder Pilsener?…
Oft gibt es Verwirrung darüber, ob nun die verschiedenen gebräuchlichen Bezeichnungen – Pils, Pilsener, Pilsner – irgendwie eine spezielle Bedeutung tragen oder auf regionale Unterschiede (etwa den Gebrauch in Ost und West) hinweisen würden. Da der Ort, auf den sich der Name bezieht, das böhmische Pilsen (Plzeň) ist, wäre „Pilsener Brauart“
jedenfalls gramatikalisch erstmal die korrekte Form – die sprachlich allerdings ein wenig sperrig ist, so dass wohl durch Auslassung die Variante Pils’ner entstand und für ein Apostroph bei Verschriftlichung
wohl einfach die Notwendigkeit entfiel. Bei Pils handelt es sich vermutlich irgendwie um eine Kurzform
Tatsächlich habe ich bisher keine Erklärung gefunden, wie diese Form genau entstanden ist – sie ist aber, anders als vermutet, bereits für das 19. Jh. belegt (also sehr bald! entstanden).
„Kurzform“ scheint zwar irgendwie plausibel – erklärt es aber auch nicht so ganz, da sich für andere aus dem Herkunftsort entstandene Namen eher wenig derartige Bsp. finden lassen (so wurden etwa Münch’ner und Wiener ja auch nicht zu Münch oder Wien verkürzt.
Spekulativ aber denkbar wäre, dass der Name entstand, indem man Pils’ner als adjektivierte Form eines Grundwortes aufgefasst hätte, das sprachlich korrekt durchaus Pils hätte sein können?!… (etwa als Namen eines vermuteten Erfinders; das Pilsen ein Ort in Böhmen ist, gehört vielleicht heute ja nur wegen des Pilsners
zum Allgemeinwissen?!…) – am Biertyp oder selbst an der Marke ist der Unterschied offensichtlich nicht festzumachen!
Das schließt letztlich natürlich nicht aus, dass regional trotzdem bestimmte Formen bevorzugt auftreten…
„Schlanker Körper“
Schlank ist ein Bier mit geringem, kaum mehr wahrnehmbaren Restzuckergehalt. Wirklich „schlanker“ wird es dadurch natürlich nicht, da parallel der Alkoholgehalt ansteigt:
Beim Maischen wird die Stärke des Korns in verschieden langkettige Zuckermolekühle aufgespalten – und in gewissen Grenzen kann dabei der Anteil der später durch die Hefe in Alkohol (und CO2) vergärbaren Zuckers gesteuert werden. Für die Hefe sind in erster Linie kurzkettige Molekühle (Ein- und Zweifachzucker) nutzbar. Langkettige Mehrfachzucker hingegen bleiben zunehmend unangetastet und geben je nach Menge dem Bier einen gewissen malzigen Körper (oder sogar eine wahrnehmbare Rest-Süße
Wobei der Eindruck der Süße, den ein Zuckermolekühl auslöst, mit dessen Langkettigkeit abnimmt. Da die kurzkettigen, richtig „süßen“ Zucker vergoren werden und der Rest – egal welcher Mengenanteil unvergärbarer Zucker anschließend noch vorliegt – einem Vereilungsmuster mit auch recht langkettigen Moleküle unterliegt, kommen tatsächlich pappsüße Biere eher nicht vor. Der Eindruck ist der einer gewissen Fülle, „Dicke“ oder Weichheit – eben das Gegenteil von „Schlankheit“…
(Ebenso variiert der Anteil unvergärbarer Zucker natürlich auch mit dem Stammwürzegehalt, so dass stärkere oder starke Biere unweigerlich einen kräftigeren Körper besitzen. Bei sehr leichten Bieren wird man u.U. bemüht sein, das Verhältnis hin zu unvergärbarer Zuckern zu verschieben, damit diese nicht gar zu „dünn“ ausfallen.)). Dies wird vor allem durch die Temperaturführung gesteuert, aber auch die Art des Malzes (bzw. dessen Enzymaktivität) spielt eine gewisse Rolle. Zudem haben untergärige Hefen tendentiell die Fähigkeit, noch etwas langkettigere Zucker zu nutzen.
Hellere, schonend gedarrte Malze und untergärige Biere zeigen daher in gewisser Weise vielleicht einen „Hang“ oder eine gewisse Eignung zum schlankeren Bier – eine direkte NotwendigkeitZu den Röstaromen, die stärker gedarrte Malze einbringen, passt ein kräftigerer Körper ganz gut – und so war es vielleicht auch das „Nutzen neuer Möglichkeit“, die diesen Stil zu einem eher schlanken machte?!…
Ein Automatismus ist es nicht! Die Entscheidung liegt auch beim hellen Bier beim Brauer: Beim Münchner Hell
wurde bspw. genau in die entgegengesetzte Richtung gearbeitet, da aufgrund des sehr harten Wassers dort keine allzu kräftigen Hopfengaben möglich waren. besteht aber nicht. Die Idee beim Pilsner war vermutlich, dass die Hopfennote möglichst für sich alleine steht. Darüber, warum man dies nach Norden hin immer mehr forcierte, lässt sich nur spekulieren…
„Weiches Wasser frisst Hopfen“
Vermutet werden darf, dass man diesen Unterschied zumindest anfangs nicht absichtlich herausarbeitete, da man ja eigentlich bestrebt war, den äußerst erfolgreichen Konkurrenten zu kopieren. Eine mögliche, öfter zu findende Erklärung besagt, dass die ersten Nachahmer in Deutschland aufgrund des nicht ganz so idealen Brauwassers gewisse Kompromisse eingehen mussten und daher die Bittere zwangsläufig mehr
in den Vordergrund geriet.
Da sehr weiches Wasser die Wahrnehmung der Hopfen-Bittere unterdrückt, könnte man andererseits ebenso behaupten, in Pilsen hat man das Bier einfach nicht so bitter bekommen. Ein weiterer wichtiger Aspekt wird aber vermutlich der verwendete (bzw. zur Verfügung stehende) HopfenWelchen Hopfen man anfangs tatsächlich verwendete, wird sich wohl kaum noch im Detail feststellen lassen – zumal damals die Unterscheidung nach „Sorten“ ungebräuchlich war; eher unterschied man nach Herkunft und deren „Güte“.
Es ist natürlich nicht auszuschließen, dass man dem Vorbild folgend tatsächlich böhmischen Hopfen nahm – genausowenig aber, dass man „feinsten einheimischen Hopfen“ heranzog. gewesen sein – der Saazer hat eben einerseits genau „das Aroma“, andererseits aber auch relativ wenig Alphasäure und damit keine allzu starke Bitterkraft.
Denkbar wäre, dass das Herbe den Geschmack der hiesigen Kundschaft dann noch besser getroffen hatte und sich daher das Deutsche Pilsner
etablierte.
Auf den verwendeten Polaris-Hopfen wird dann beim Folge-Sud noch etwas näher eingegangen.
![]() |
![]() |
![]() |
Weiterfürende Links:
- bei den Hopfenhelden werden der Biertyp und die Entstehungslegende noch etwas ausführlicher besprochen
Urheberrechtliche Hinweise:
Die Texte und Grafiken stehen, sofern nicht anders gekennzeichnet, unter der Lizenz CC BY-NC-ND 3.0 DE. Sämtliches nicht eigenes Bildmaterial entstammt den Wikimedia-Commons und wurde unter einer freien Lizenz veröffentlicht. Davon abweichend
-
- wurde die in der Überschrift verwendete Schriftart "Soria" von By Dany entworfen und ist bei dafont.com als 100% free veröffentlicht
- sind die Abbilder der Bieretiketten von folgenden Autoren:
Rosen-Pils - Muelle44
Wernesgrüner (alt, neuer) - Jens Jäpel
Březňák - 5snake5
Flensburger Pils+Pilsner - Reinhard Kraasch
Flensburger Pilsener - Friedjof - ist das Foto vom Pilsglas samt "Deckchen" von Frank Murmann einer Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license veröffentlicht
- stammt die Kopie des "Pilsdeckchens" von Radler22 und istunter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international“ lizenziert.
- sind die Bilder "И звезда с звездою С 025 Взгляд" und "И звезда с звездою С 137 Концовка Колос и звёзды" von Mikhail Kurushin und unter einer Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International license veröffentlicht
- steht das Etikett zum freien Download bereit - jegliche kommerzielle Verwendung ist untersagt!