Sud 37
37 | ![]() |
Biertyp | (B)-APA |
Bierart | - obergärig - mit Farbstoff E162 ;-) |
Stammwürze°P | 13,5° |
Alkohol%Vol | 4,9% |
Brautag | 26.5.19 |
Anstich | 23.7.19 |
Ursprung | USA |
Malze | Pale Ale + Karamellmalz |
Hopfen | Ariana, Callista |
Geschmack | herb fruchtig (Pink Grapefruit, Melone, Waldbeeren) karamellmalzig |
Trinktemp.°C | 8–10° |
Was für ein Bier ist das?...
Nach einigen traditionellen Bieren nun wieder ein modernes Craftbeer: Im Prinzip handelt es sich um eine besondere Variante eines American Pale Ales
Dessen Hintergrund, Geschichte und Charakteristik hatten wir bereits beim
Celebration Pale Ale
thematisiert.... Wie oft bei Craftbeer-Ablegern traditioneller Stile ist es ein wenig stärker eingebraut und deutlich charakteristischer gehopft – und in dieser speziellen Variante auch sehr auffällig gefärbt!...
Als „Sommer-Bier“ geplant – der Farbe wegen als
Indian Summer Ale
benannt – kommt als Farbstoff E162 zum Einsatz: Rote-Bete-Saft. Was das B in der SpezifikationIn dieser speziellen Farbvariante lassen sich im Internet ein paar
IPA
-Varianten aufspüren, die des färbenden Betenrots wegen als B-IPA
bezeichnet werden – was logisch erscheint und wir für unser „B-APA“
übernommen haben...
Es gibt auch (irische) Red Ales
– diese Kategorie ist jedoch weniger passend, da deren rötlicher Schimmer eher auf dem Einsatz relativ dunkler, kräftiger Malze beruht... erklärt, dem Reinheitsgebot aber offenbar deutlich widerspricht…
Vom Deutschen Reinheitsgebot
Um es vorweg zu sagen: Das Reinheitsgebot hätte sinnvolle Seiten – würde es auf diese einfache Weise in direkter Bezugnahme auf vorindustrielle Zeiten verhindern, dass – anders als sonst überall in der Lebensmittelindustrie üblich – irgendwelche technisch offenbar „unverzichtbaren“ Hilfs- und Zusatzstoffe, Prozessoptimierungen und -Beschleunigungen zum Einsatz kämen. (Die Art erlaubten Getreides wäre den meisten Menschen hingegen vermutlich eher egal…)
Letztlich handelt es sich beim Reinheitsgebot jedoch vor allem um eine Art Marketing-InstrumentIm
Mittelalter gab es unzählige ähnliche, meist lokale Brauordnungen. Die erste Erwähnung als „Reinheitsgebot“ ist aus einem Sitzungsprotokoll des bayr. Landtags von 1918 überliefert und es ist wohl unstrittig, dass ihm mit der neuen Bezeichnung bewusst die Aufgabe eines „Promotors in einer zunehmend von der Werbung abhängigen Branche“ übertragen wurde – ob eine Verordnung von 1516 gewählt wurde, weil diese werbewirksam gerade 400 Jahre alt wurde, ist nicht überliefert.
Jedenfalls schottete man damit anfangs den bayrischen Markt gegen die deutsche, später dann den deutschen gegen die europäische Konkurrenz ab – dies allerdings wird mit dem Verweis auf „gute alte Tradition“ nicht gemeint sein…, welches suggeriert, es fuße in direkter Linie auf einem bayrischen Erlass aus dem Jahr 1516 und stelle allein dadurch den höchstmöglichen Qualitätsstandard sicher. Tatsächlich aber existierten ähnliche Verordnungen nachweisbar sowohl zuvor als auch danach und es besteht weder eine Kontinuität der Anwendung noch fortwährende Inhaltsgleichheit. Zudem gibt es mehrere Deutungsmöglichkeiten hinsichtlich des Zwecks, welche sich gar nicht so sehr an der Qualität des Getränks orientierenGerste ist für die menschliche Ernährung weniger wichtig als die klassischen Brotgetreide Weizen und Roggen. Ein Zweck, ausschließlich Gerste als Braugetreide zuzulassen, könnte durchaus darin gelegen haben, wertvolle Nahrungsreserven zu schützen.
Ein weiterer wesentlicher Punkt liegt jedoch ganz offenbar in der Ausbildung eines Monopols:
Das Bierbrauen selbst war ja Teilen der Bevölkerung gestattet und längst kein Privileg des Adels mehr. Durch den Erlass wurde jedoch unterbunden, dass diese auch das immer populärer werdende Weizenbier herstellen konnte. Das Vorrecht hierauf sicherte sich das bayrische Königshaus exklusiv – es stellte lange Zeit eine sprudelnde Geldquelle dar..
Historisch also weniger als Qualitätsgarant entstanden, versuchte es in seiner heutigen Form jedoch lange Zeit, die Verlässlichkeit deutscher Biere sicherzustellen und den Biertrinker vor (natürlich ausländischem) „Chemie-BierNoch in den 80er Jahren wurde ausländisches Bier als solches gebrandmarkt!…
Wem käme beim ausdrücklichen Verweis auf das Jahr 1516 z.B. auch in den Sinn, dass man beim weit verbreiteten High Gravity Brewing Bier stärker einbraut und hinterher mit Wasser verdünnt, weil man so die Austoßmenge erhöhen und vor allem den Platz im Lagertank effektiver nutzen kann? Dass zur Klärung zugesetztes Polyvinylpolypyrrolidon nicht aufgeführt werden muß, weil es (bis auf „gesundheitlich, geruchlich und geschmacklich unbedenkliche, technisch unvermeidbare Anteile“) wieder herausgefiltert wird…“ zu schützen – stellte somit nicht zuletzt also immer auch ein Instument der Marktabschottung dar! Für Brauer und Konsumenten ist dies aber hinderlich, wenn es darum geht, aus dem Korsett der industriellen Bierproduktion auszubrechen.
Ohne Frage ist die Vielfalt rein aus Wasser, Gerstenmalz und Hopfen braubarer Biere riesig. Und wir bemühen uns redlich, diese auch darzustellen! Sie spiegelt andererseits aber eben nur einen Ausschnitt der BierweltUnd gerade im Mutterland des Reinheitsgebotes weicht ein beachtlicher Teil der Biere von dessen Prämisse ja deutlich ab – was ja beim
Weizenbier
eigentlich klar auf der Hand liegt, ohne das dies je groß thematisiert würde…
Aufgrund einer recht willkürlich erscheinenden Interpretation gilt das Gebot, ausschließlich Gerste zu verbrauen, nämlich ausschließlich für untergärige Biere (was um so verwunderlicher ist, da bei der Hefe nicht nur nicht nach ober- und untergärig unterschieden, sondern diese überhaupt nicht erwähnt wurde…). wider – was an einem gar nicht geringen Anteil unserer Sude ebenfalls abzulesen ist.
Von „unerlaubten“ Zutaten
Fakt ist, dass zum Bierbrauen in allen Zeiten wohl alle möglichen Ausgangsstoffe herangezogen wurden, die sich irgendwie in vergärbaren Zucker umsetzen ließen und das als Biergewürz weit mehr als nur Hopfen zum Einsatz kam (auch inlands und nach 1516!). Und Fakt ist weiterhin, dass die Besonderheit vieler BierstileEine
Berliner Weisse
enthält Weizen – genau wie Potsdamer Stange
, Grätzer
, Wieß
und Hefeweizen
. Pumpkin-Ale
und Kartoffelbier
wären ohne die namensgebenden Zusätze nicht denkbar und Angelika-Wurzel ist für ein Nordmannen Øl
ebenso typisch, wie die Kandisnote beim Bière de Garde
oder Wacholder beim Sahti
… gerade darin zu suchen ist!
Und selbst wenn es heute oft lediglich eine reine Sparmaßnahme darstellt, ist der Einsatz von RohfruchtAls Rohfrucht werden unvermälzte Stärkelieferanten (also Getreide, aber auch Kartoffeln, Kürbis, Erbsen…) bezeichnet.
Die Enzyme des Malzes sind im allgemeinen zahlreich und kräftig genug, auch eine gehörige Portion „Fremdstärke“ zu zerlegen. Dies nutzt(e) man oft, um den Aufwand des Mälzens (bzw. die Kosten des Einkaufs) zu reduzieren: Nicht nur im früheren „Osten“, wo Rohstoffe bekanntlich immer knapp waren – auch der zweifelhafte Ruf amerikanischen Bieres geht nicht zuletzt auf den teils exzessiven Einsatz von (oft Mais- und Reis-) Rohfrucht zurück (oft in solch Dosen, dass dabei dann doch noch zusätzliche Enzymgaben notwendig sind…)
Nebenbei bemerkt spricht übrigens des Gebot von 1516 ausdrücklich nicht von Malz! – sondern von Gerste… nicht grundsätzlich verwerflichDurch Rohfruchteinsatz lassen sich nämlich ganz typische Eigenschaften erzielen:
So beruht der kernig-nussige Geschmack eines irischen Stouts
auf einem gehöriger Anteil von (teils gerösteter) Rohgerste, für belgisches oder schottisches ist der Einsatz von Hafer (-flocken) üblich – und es ist grotesk, dass etwa ein Guinness früher für den deutschen Markt nach einer angepaßten Rezeptur gebraut werden mußte!…
Zudem war Malz früher uneinheitlicher und enthielt vermutlich sowieso immer auch ungekeimte Anteile. Zutaten wie Kartoffel oder Kürbis können hingegen kaum zu Malz verarbeitet werden! (erfordern aber teils auch recht aufwendige Verarbeitungsstufen, so dass der Grund hier weniger in einer Reduktion des Aufwands als in ihrer regionalen Verfügbarkeit zu suchen ist…) – die Grenzziehung zugegebenermaßen schwierig…
Letztlich spräche jedoch gar nichts dagegen, das Reinheitsgebot als eine tradierte, vielleicht sogar zwingende Anweisung aufzufassen, nach der ein Bier herzustellen ist – Bayrisches Bier!
Vorauszusetzen, diese hätte für sämtliche Biertraditionen der Welt zu gelten, ist allerdings anmaßend und würde die Bandbreite möglicher Biere dramatisch einschränken: warum etwa die Craftbeer-Version eines amerikanischen (in der langen und ruhmreichen Tradition britischen Brauwesens stehenden) Pale Ales
nach bayr. Vorschriften des ausgehenden Mittelalters gebraut werden sollte, erschließt sich keinesfalls!
Und auch dem Verbraucherschutz wäre mit einer ordentlichen Kennzeichnungspflicht weit mehr genützt, als mit dem schwammigen Verweis auf ein fünfhundert Jahre altes „Gesetz“!
Vom E162
Beim E162 handelt es sich um den puren Saft der Roten Bete – also in jedem Fall um eine völlig natürliche Zutat!
Zwar liegen keine näheren Erkenntnisse hinsichtlich einer traditionellen Verwendung vor (obwohl es durchaus archaisch anmutende Rezepte für Rote-Bete-Ales, Beten-Varianten des belgischen Saisons
und Rote-Bete-Kwass gibt), aber in modernen Craft-Bieren findet sich das Betenrot ab und an. Vorteil ist eine außerordentlich starke Färbekraft bei in der notwendigen Dosierung kaum wahrnehmbarer Geschmacksbeeinflussung – womit sich ein bis auf die Farbe vollkommen „unauffälliges“ Bier brauen lässt!
Interessant ist die Farbe aber trotzdem:
Aufgrund von Optik und Hopfenbittere entsteht unwillkürlich ein Geschmackseindruck von Grapefruit – was das Aroma der verwendeten HopfensortenWie bereits beim Vorgänger-Sud handelt es sich um Neuzüchtungen aus dem bayr. Hopfenzuchtzentrum in Hüll – diesmal aber eindeutig moderne Flavour-Sorten mit einem deutlichen Fokus auf fruchtige Aromen:
„Hopfige Grundnoten vermischen sich bei Callista mit Maracuja-Aprikose sowie Grapefruit und bei Ariana prägen Schwarze Johannisbeere und Zitrusnoten den Geschmack.“ deutlich unterstreicht und ausgesprochen gut in den Sommer passt.
Ein schönes, fruchtig-delikates Sommer-Ale. Und das Auge trinkt sogar mit!…
Item wir ordnen / setzen / und wöllen mit Rathe unnser Lanndtschaft / das füran allennthalben in dem Fürstenthumb Bayren / auf dem Lannde / auch in unnsern Stetten und Märckthen / da deßhalb hieuor kain sonndere Ordnung ist / von Michaelis bis auff Georij / ain Mass oder Kopfpiers über ainen Pfenning Müncher Werung / unnd von Sant Jörgentag / bis auff Michaelis / die mass über zwen Pfenning derselben Werung / unnd derennden der Kopf ist / über drey Haller / bey nachgesetzter Pene / nicht gegeben noch außgeschennckht sol werden. Wo auch ainer nit Merzen / sonder annder Pier prawen / oder sonnst haben würde / sol Er doch das / kains wegs höher / dann die maß umb ainen Pfenning schennckhen / und verkauffen. Wir wöllen auch sonnderlichen / das füran allenthalben in unsern Stetten / Märckthen / unnd auf dem Lannde / zu kainem Pier / merer Stuckh / dann allain Gersten / Hopffen / und Wasser / genomen unnd gepraucht sölle werden. Welher aber dise unnsere Ordnung wissentlich überfaren unnd nit hallten würde / dem sol von seiner Gerichtzöbrigkait / dasselbig vas Pier / zuestraff unnachläßlich / so offt es geschicht / genomen werden. Jedoch wo ain Geüwirt von ainem Pierprewen in unnsern Stettn / Märckten / oder aufm Lande / yezuezeyten ainen Emer Piers /zwen oder drey / kauffen / und wider unntter den gemainen Pawzsuolck ausschennckhen würde / demselbenn allain / aber sonnst nyemandts / sol die mass / oder der kopff piers / umb ainen haller höher dann oben gesetzt ist / zegeben / unnd außzeschennckhen erlaubt unnd unuerpotten sein.
Ein schlechtes Gewissen plagte uns beim Brauen nicht…
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Weiterfürende Links:
- lesenswert ist der Wikipedia-Artikel zum Reinheitsgebot
- wer mehr über Ungereimtheiten und Widersprüche erfahren möchte, ist hier richtig!
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