Sud 49

 576px-Erich Windt - Linde

Überschrift Bohemian Ale - Lobster Two - Impallari Type

800px-Story of Prague 1920 Charles Bridge 3

49 Etikett No49
Biertyp  Pale Ale
Bierart oberg.
Stammwürze°P  11,6%
Alkohol%Vol  4,2
Brautag  5.3.22
Anstich  23.4.22
Ursprung  „indoeuropäisch“ (→ letztlich Böhmen…)
Malze  Pilsner (extra hell!), Cara
Hopfen  Saazer Roter, Sládek
Geschmack malziger Körper mit unaufdringlicher Restsüße, feinherbe kräuterartige Saazer Hopfenaromen
Trinktemp.°C  
   uztenka

 

Wappen Salzburger Erzbischöfe Adalbert II von BöhmenWas für ein Bier ist das?…

Im letzten Jahr im Hochsommer – dort war es vor allem den hohen Temperaturen geschuldet – hatten wir versucht, so etwas wie ein „obergäriges Lager-Bier“ mit möglichst typischen deutschen Charakterzügen zu brauen: also eine Art „German Ale“. Weil das eigentlich hervorragend funktioniert hatte, wollten wir gleiches Prinzip nun auch auf ein Bömisches Lager anwenden – um mit einer typisch böhmischen Hopfung nun also ein Bohemian Ale zu brauen…

„Bömisches Lager“

640px-Erwin Spindler Ansichtskarte Pilsen-Brauhaus-tMit einem Böhmischen Lager verbinden wir heute vor allem den Typus des berühmten Biers aus Pilsen. Was die tatsächlichen, ganz typischen Eigenschaften eines solchen Bieres sind, soll vielleicht eher an einer anderen Stelle besprochen werden (denn ein solches Bier gehört durchaus zu denen, die wir unbedingt auch einmal brauen wollen!). In jedem Fall sind die untergärige Brauweise, die recht helle Farbe und die typische Hopfung charakteristischSecretary Pompeo and Mrs. Susan Pompeo Visit Pilsner Urquell Brewery 50216088796Wobei wir gegen ersteres ja ganz bewusst verstoßen und die Bierfarbe im Gegensatz zu den bekannten Aushängeschildern bei „Inlandsbieren“ eigentlich meist gar nicht strohgelb ist sondern oft eher ins rötlich-goldene tendiert – immerhin bei der Hopfung liegen wir aber genau auf Linie! Bei der ist allerdings anzumerken, dass diese beim böhmischen Original (im Gegensatz zum deutschen Pils) viel eher das Hopfenaroma als dessen Bittere in den Vordergrund stellt., sowie auch eine leichte malzige Restsüße.

320px-Porter 19 Beispiele böhmischer (bzw. tschechischer320px-Böhmen Mähren Österreich SchlesienBöhmen und Tschechien werden zwar oft synonym gebraucht, allerdings ist es eigentlich nicht das Selbe! Böhmen ist eine historische Region (wie etwa Bayern oder Sachsen) und umfasst nur ein Teil von Tschechien – allerdings einen recht großen (den westlichen). Weitere wichtige Region ist Mähren, welche sich kulturell recht klar von Böhmen abgrenzt.
Wenn man an tschechisches Bier denkt, denkt man wahrscheinlich tatsächlich eher an bömisches Bier; gutes Bier weiß man selbstverständlich auch in Mähren zu brauen und zu schätzen, allerdings spielt dort bereits der Weinbau eine bedeutsame Rolle und hat in der Alltagskultur einen höheren Stellenwert als im benachbarten Böhmen. Dafür konzentriert sich der Anbau von Hopfen, für den Tschechien relativ bekannt ist, eher im westlichen Landesteil (und auch die „berühmten Biere“ sind eher dort verortet!).
) obergäriger Biere gibt es keine. Auf „die alte Art zu brauen“ scheint mit dem Siegeszug des Bömischen Lagers komplett verschwunden zu sein. Die untergärige Brauweise ist dort – zumindest was traditionelle Biere betrifft – allgemeiner Standard; obergärige Biere existieren allenfalls als Adaption ausländischer Biere (bzw. in der Craftbeer-Szene, die es dort natürlich ebenfalls gibt). Ein (ggf. regionales) Pendant zum Altbier scheint jedenfalls nicht zu existieren?!

Černá PlzeňAndererseits sind dunkle Biere in Tschechien wesentlich präsenter als hierzulande – so sehr, dass man diesbezüglich kaum mehr von einem Nischenprodukt sprechen kann. Eigentlich haben alle Brauereien grundsätzlich immer auch ein Tmavé (dunkel) oder Černý (schwarz) im Sortiment und auch in sehr vielen Kneipen am Zapfhahn. Möglicherweise ist vielleicht dieses noch als Schatten der alten Brautradition zu deuten?…

Böhmische Brautradition?

Obwohl uns Böhmen eigentlich als Inbegriff einer Biernation gelten kann, ist über die historische Entwicklung vor der industriellen Revolution (zumindest hierzulande) relativ wenig bekannt. Immer wieder lassen sich zwar Aussagen finden, dass das Weizenbier wohl eigentlich eine „böhmische Erfindung“ mit langer Tradition und weiter Verbreitung sei (die von dort aus irgendwann ihren Weg ins Bayrische fand) – aber heutzutage spielt es überhaupt keine Rolle mehr. Und auch bei der LegendePilsner Urquell logo.svgDiese besagt im wesentlichen, dass das Pilsner Bier qualitativ so dermaßen schlecht war, dass es teilweise weggekippt werden mußte. Dies sei der Grund gewesen, warum man den bayrischen Braumeister Josef Groll anheuern mußte – der dann das Pilsner Urquell erfand..., die die Entstehung des Pilsner Bieres beschreibt, findet Weizen keinerlei Erwähnung.

Aber obwohl eben diese Legende zumindest den damaligen Pilsner Bieren eine mangelhafte Qualität zu bescheinigen scheint, kann das generelle Niveau bömischer Biere kaum wirklich schlecht gewesen sein! Zumindest Anbau und Qualität des Hopfens wurden ja schon weit früher erwähnt und vor allem gerühmt – und der An- und Ausbau von Hopfen hätte ohne eine Verarbeitung in vorzeigbaren Produkten kaum eine solche Blüte erreicht und sich wohl kaum zum „Exportschlager“ entwickelt.

Böhmischer Hopfen

Saaz 1850 ŽatecWas also immer und immer wieder Erwähung findet, ist der böhmische Hopfen – wobei eine bekannte Anbauregion heute als Namenspate für die Sorte steht: Saazer Hopfen.

Ein bisschen rätseln kann man vielleicht, warum dieser Hopfen es zu solch einer Berühmtheit brachte – denn heute ist er eher ein etwas unbeliebtes Sorgenkind: Im Anbau ist er verglichen mit modernen Sorten ein wenig kompliziert; die Erträge sind nicht besonders hoch (was ihn relativ teuer macht) und der Gehalt an Bitterstoffen ist aus Sicht des Brauers auch nicht gerade berauschend.
Das besondere Aroma dieser Sorte galt (zumindest eine Zeit lang) als gar nicht so wichtig; wobei dies wahrscheinlich eher die zweite Hälfte des vorigen Jahrhunderts betrifft, als man meinte, vor allem käme es auf den Gehalt an Bittere an und einzig darin die Aufgabe des Hopfens sah. Historisch wird aber vermutlich gerade das Aroma der (wenn evtl. auch unbewusste) Grund gewesen sein, warum man dem böhmischen Hopfen den VorzugHopfenanbau DDRAuch in der DDR wurde Anfangs recht viel Saazer angebaut – was vermutlich u.a. daran lag, dass auf deren Gebiet ja kein aktives, traditionelles Anbaugebiet mehr vorhanden war und wohl, weil man vom nahen Bruderland mit Pflanzmaterial versorgt werden konnte. Mit der Verfügbarkeit modernerer Sorten hatte man dann aber bald auf diese gewechselt (hier vor allem auf die engl. Züchtung Northern Brewer mit höherer Bitterkraft). gab – damals fand man, er sei einfach „von besserer Stärke und Kraft“.
In Böhmen hätte man ihn aber sowieso nie in Frage gestellt!

Rot-Hopfen

Früher – als es in diesem Sinn noch keine richtigen „Hopfen-Sorten“ gab – wurde der Hopfen neben seiner regionalen Herkunft vor allem auch nach optischen Merkmalen klassifiziert, wobei vor allem roter, grüner und weiß-grüner Hopfen unterschieden wurde:

Der rothe Hopfen, deſſen Blätter dunkelgrün, rauh und handgroß an ſtarken Stielen ſtehen, deſſen Blüthen feine lange Fäden in einem Büſchel bilden, deſſen Zapfen länglich, unten vierkantig, einen und einen halben Zoll lang ſind und einen angenehmen geiſtigen Geruch haben.
Der grüne Hopfen hat ſchwächere lichtgrüne Reben, blaßgrüne Blätter mit lichter Unterfläche, vier- bis ſechsfache Blüthen, eirunde oft kugelige Zapfen auf kurzen Stielen und gewöhnlich einen Knoblauch auch Schwefelgeruch.
Der weißgrüne Hopfen ſteht in ſeinen Eigenſchaften zwiſchen dem rothen und grünen Hopfen und kenntzeichnet ſich beſonders durch die weißen und großen zwei Zoll langen Zapfen.

297px-Illustration Humulus lupulus0Die farblichen Unterschiede sind dabei vor allem in den Stängeln zu finden.  Unterschiedliche Reifezeitpunkte waren bekannt, wurden aber vor allem mit der „Farbe“ assoziiert. Roter Hopfen galt allgemein als der Beste und als relativ früh – und noch heute heißt der Saazer im Tschechischen „Mittelfrüher Roter“ (oder eben Žatecký poloraný červeňák).

Billeder af nordens flora 1917 20183050170Es ist denkbar, dass es sich bei den verschiedenen Ausprägungen um natürliche, lokale Anpassungen an das jeweilige Verbreitungsgebiet handeln könnte. Dem weißgrünen Hopfen wird jedenfalls eine Eignung für das etwas rauhere Klima Norddeutschlands (und Englands) nachgesagt – den böhmischen Landen hingegen ganz allgemein ein besonderes klimatisches und geologisches Potential für den Hopfen:

Wir haben die Eigenheiten einiger Abarten angeführt und den rothen Hopfen als den heikelſten aber ergiebigſten und vollkommenſten erkannt, welcher aber warmes Klima, milden, vorzüglich Kalkboden, auch rothen, alſo eiſenhaltigen Boden liebt.

Obwohl man dem Saazer in Böhmen weiterhin die Treue hält, werden natürlich auch dort neue Sorten ausprobiert und gezüchtet – wobei der Saazer oftmals als „Muttersorte“ dient, um dessen aromatische Eigenschaften zu vererben.
Als großer Erfolg kann wohl die Sorte Sládeksvg-silh311229Als Elternsorten von Sládek werden Saazer und Northern Brewer genannt. Der Gehalt an Alphasäure liegt mit durchschnittlich 5% dabei nur wenig über dem Saazer – es ist also kein ausgesprochener Bitterhopfen. gelten, die zwar den Saazer nicht ersetzt, ihn aber hervorragend ergänzt.

Die Kombination Saazer/Sládek kann heute wohl zweifellos als die Böhmische Kombination schlechthin gelten! Sofern angegeben, lässt sich diese bei unzähligen Bieren großer und kleiner Brauereien immer und immer wieder entdecken – und auch unserer Bohamian Ale ist selbstverständlich nach diesem Schema gehopft!

Nuremberg chronicles f 177v 2 

Nachtrag, April ’23

Inzwischen habe ich Quellen gefunden, die belegen, dass obergärige böhmische Biere einst existierten und vor allem auch einen hervorragenden Ruf genossen!
Demnach wurde bei der Kellerarbeit allerdings wohl bereits vor Einführung des untergärigen Pilsner Bieres ein sauberer, eher „untergäriger Charakter“ angestrebt, indem bei möglichst niedrigen Temperatur vergoren und ausgebaut wurde. (Es werden Anstelltemperaturen von 10-15°C genannt – was für obergärige Hefe in der Tat recht kühl327px-Wenceslas Hollar - Rustica Bohemica State 3Obwohl der genannte Temperaturbereich in der Tat sehr niedrig ist, ist unwahrscheinlich, dass es sich um eine Verwechslung handelt, da das Buch in mehreren Kapiteln gesondert, seitenlang und detailliert auf die Unterschiede zwischen „Unter- und Oberzeug“ eingeht. Auch heute existieren obergärige Hefestämme, die bei derartigen Temperaturen (noch) vergären können – und es gibt Bierstile, wie etwa das Kölsch, wo genau aus gleichem Beweggrund mit solchen nah am unteren Limit vergoren wird. Zudem ist durchaus plausibel, dass sich Hefestämme mit der Zeit der geforderten Temperatur notgedrungen anpassen. ist! – sowie die Nachgärung/Reifung in kalten, eisgekühlten Kellern.)

§. 161. Obergährung nach böhmiſcher Art.
Von den obergährigen Bieren ſind die böhmiſchen anerkanntermaßen die beſten, welchen Vorzug ſie einzig und allein ihrer vortrefflichen Gährung zu danken haben.
In ganz Böhmen wird aber die Hauptgährung viel langſamer als irgendwo geführt und zugleich die Hopfenwürze viel mehr abgekühlt, was den Bieren jene Kraft und Lieblichkeit giebt, wodurch ſich namentliche die Biere Prag’s und ſeiner Umgebung auszeichnen.

Es wäre also durchaus denkbar, dass die neue pilsner die alte böhmische Brauart gar nicht so sehr „revulotionierte“ als vielmehr einfach derart gut zu ihr passte, dass sie relativ geräuschlos integriert wurde – der alte BiertypT F Simon View In Old PragueEin (adapiertes) Rezept für Prager Bier von 1834 sieht als Maischmethode die Dekoktion vor (die für den österreichischen – und somit damals eben auch böhmischen – Bereich ohnehin als typisch gilt) und die für Böhmisches und natürlich Pilsner Bier bis heute prägend ist. Als Malz kommt „Wiener“ zum Einsatz, was vom Charakter her ebenfalls recht gut ins böhmische Profil passt – da wie erwähnt die ganz hellen Biere eigentlich eher eine Ausnahme darstellen…
Selbstverständlich wird mit Saazer gehopft!
also eigentlich gar nicht so richtig verschwand?!…

trenner Image taken from page 346 of The Works of Alfred Tennyson etc 11060781794

So langsam normalisiert sich „die Situation“ ja wieder…

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Hopfen-Pfeil-links  400px-Kelnero kaj biero.svg  Hopfen-Pfeil-rechts